Rede zur Eröffnung der Erinnerungsstele für James Greene

Genau heute vor 75 Jahren wurde unweit dieser Stelle James Greene, der Seitenschütze eines abgeschossenen B-24 Liberator Bomber (genannt: „flying junior“), nach Fallschirmsprung und erfolgreicher Landung ermordet. Hier kann nur von Mord, besser Lynchmord, gesprochen werden und dies nicht nur aus unserer heutigen rechtlichen und moralischen Perspektive, sondern auch aus der damaligen: James Greene befand sich nicht mehr unmittelbar im Kampfgeschehen, er hatte sich ergeben und hätte nach den Schutzbestimmungen der Genfer Konvention von 1929 (Artikel 3 ff) in den Schutz der Kriegsgefangenschaft überführt werden müssen.

Der Mord an James Green hat eine Reihe von Bezügen zur Gemeinde Pullach:

  • Der Täter war der Pullacher Bürger Heinrich Gradl (Ortsgruppenleiter der NSDAP).
  • Die Tat wurde unmittelbar an der Pullacher Gemeindegrenze verübt.
  • Einer der geistigen Urheber der Fliegermorde war Martin Bormann, Pullacher Bürger, Leiter der Parteikanzlei und Gründer der sogenannten Reichssiedlung in Pullach
  • James Green wurde, obwohl er auf Münchner Stadtgebiet verstorben ist und sein Todesfall nicht in Pullach beurkundet wurde, am 24. Juli 1944 auf dem Pullacher Gemeindefriedhof bestattet. Sein Grab befand sich dort bis zum 4. Juni 1946, als er auf den amerikanischen Kriegerfriedhof nach St. Avold in Frankreich umgebettet wurde.

Die NS-Diktatur leitete in ihren 1944/45 herausgegebenen „Verhaltensmaßgaben“ gegenüber ausländischen Fliegern aus sogenanntem „Volkszorn“ und „rasender Wut“ das Recht zum Mord ab. Sie machte „Volkszorn“ und „rasende Wut“ quasi zu Rechtsnormen. Kodiertes Recht sollte keine Rolle mehr spielen, der skrupellose Machtinstinkt von wenigen sollte „Recht“ im Namen des Volkes über Menschen setzen, die rechtlos gemacht wurden. So geschah es in fast allen Bereichen der damaligen Gesellschaft, dies führte zu Genozid und Krieg und so geschah es nicht zuletzt auch Menschen, die unter Schutzbestimmungen des Völkerrechtes standen, hier den amerikanischen Fliegerbesatzungen.

Das Recht und das Rechtsempfinden durch bewusst geschürte „Stimmungen“ beeinflussen zu wollen, diese immer weiter zu schüren und zu befeuern – Tendenzen dorthin sind auch heute wieder spürbar. Dies muss uns Mahnung sein.

Es ist ein Glück, dass durch Frau Dr. Susanne Meinl und Herrn Markus Moser aus den erhaltenen Quellen das Geschehen rekonstruiert und vor allem die Identität des Opfers festgestellt werden konnte. Damit konnte eine jahrzehntelange Ungewissheit von den Angehörigen abfallen. Es war für die gesamte Öffentlichkeit hier, in München und den Gemeinden des Umlands, wichtig, sich mit dem Schicksal der alliierten Flugzeugbesatzungen auseinanderzusetzen und nach Opfern und Todesopfern zu suchen.

Die Gemeinde Pullach im Isartal hat am 7. November 2015 in Erinnerung an die am 19. Juli 1944 abgestürzten Flugzeugbesatzungen, an die damals Verstorbenen und vor allem in Erinnerung an James Greene eine Gedenk- und Informationsveranstaltung durchgeführt, zu der seinerzeit auch Angehörige anreisen wollten. Der Sohn von James Greene, Jim Greene, verstarb auf dem Weg zu uns noch in Houston/Texas. Auch seiner wollen wir heute gedenken.

Ich darf mich bei allen, die an den Ergebnissen dieser Nachforschungen, der Herstellung der Gedenkstele und vor allem dieser Veranstaltung beteiligt sind, herzlich bedanken.

19. Juli 2019