Bürgerbrief: Gedanken zum „Tag des Waldes“ am 21. März

„Hallo Wald – wie geht es dir? War da nicht etwas vor kurzem, noch gar nicht lange her und schon vergessen oder nur verdrängt?“ Erinnern Sie sich noch an die starken Schneefälle Anfang Dezember, als über Nacht fast ein halber Meter Schnee Pullach zugedeckt hat? Natürlich haben wir das verdrängt, zumal die ersten warmen Sonnentage im neuen Jahr verlockend nach Frühling duften und uns aus den Stuben locken, hinaus in die Natur.

Für viele die schönste Zeit im Jahr, wenn nach den grauen und kalten Tagen die sogenannten Frühlings-Geophyten wie Leberblümchen, Märzenbecher, Buschwindröschen oder auch der stark duftende Bärlauch und Seidelbast in unserem Isartal Farbakzente setzen. Jetzt, wo die Baumkronen noch nicht belaubt sind, kommt die Wärme auf dem Boden an und lässt die Blumen sprießen, aber nur ganz kurz. Also nutzen Sie die schöne Zeit für einen Spaziergang entlang unserer Wege durch den Wald. Doch da kommen sie wieder, die Erinnerungen, liegen doch noch große Mengen an Baumstämmen kreuz und quer, die durch das große Gewicht der Schneemassen einfach umgefallen oder abgebrochen sind.

Eindrucksvolles Beispiel für die Schnee- und Sturmschäden: Eine umgestürzte Rotbuche am Isarhang.
Foto: Gemeinde Pullach

Mit großem Aufwand haben wir schon zwischen den Feiertagen mit den Aufräumarbeiten begonnen, damit die Wege und Straßen wieder benutzt werden können. Getreu unseren Vorgaben für das Naturwaldreservat, haben wir dabei lediglich die Stämme der Fichten aus dem Wald entfernt, damit daraus keine größeren Schäden an anderen Bäumen entstehen. Alles andere soll im Wald als Totholz liegen bleiben, damit daraus wieder neues Leben entsteht. Also genau genommen ist das Totholz voller Leben – aus Insekten, Pilzen, Flechten und Moosen, die darauf angewiesen sind.

Außerdem verstecken sich unter den großen Haufen auch gerne Amphibien und Reptilien, die entweder darunter überwintern oder sich dort vermehren und vor Fressfeinden schützen. Und natürlich nutzen auch die Vögel, wie beispielsweise unser kleinster, der Zaunkönig, die Asthaufen als Versteck für ihre Nester. Nicht zu vergessen sind die Spechte, die man jetzt weithin trommeln hören kann, wenn sie auf abgestorbenen Ästen ihr Revier markieren und dann in den Stämmen die Höhlen zimmern, die wiederum für so viele andere Tiere lebensnotwendig sind.

Wald – das sind halt nicht nur viele Bäume, das ist eine Lebensgemeinschaft!

Gerade ist eine Studie der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf veröffentlicht worden, bei der es um die Fragestellung ging, ob denn ein bewirtschafteter Wald oder ein stillgelegter „Urwald“ besser für die Klimabilanz wäre, in Bezug auf die Speicherung von CO2. Wie immer bei solchen Studien muss man differenzieren. Bei Nadelholz zeigt ein proaktiver Waldumbau hin zu mehr Mischwald die beste Klimawirkung. Vor allem, wenn das entnommene Holz in langlebigen Produkten wie beim Hausbau gespeichert wird und dadurch zusätzlich weniger Holz importiert werden muss.

Laubwälder sollten aber besser geschützt und verstärkt aus der Nutzung genommen werden. Auch hier gibt uns die Natur einiges vor, wenn wir nur genau hinschauen und erkennen, was da gerade passiert. So sind es die alten Buchen, die zum Teil auf natürliche Weise absterben oder umfallen, Platz für neue Bäume schaffen und damit mehr Wachstum und Mischung generieren – denn Licht im Wald bedeutet immer Vielfalt! Durch diesen natürlichen Verjüngungsprozess entsteht also nicht nur neues Leben, sondern auch wieder positive Klimawirkung, denn neue schnell wachsende Bäume speichern wieder mehr CO2, während die alten umgefallenen und absterbenden Stämme das gespeicherte CO2 nur langsam abgeben.

Trotzdem werden wir bei allen romantisierenden Vorstellungen von einem „Urwald“ mit Bedacht auch Nutzung betreiben müssen. Nicht zuletzt, um unsere Hänge zu sichern. An einigen Stellen hat sich nämlich gezeigt, dass durch umgefallene Bäume auch die Struktur des Isarhanges in Mitleidenschaft gezogen wurde. Daher werden wir zeitnah an einigen neuralgischen Punkten große und schwere Bäume entnehmen müssen, damit es nicht zu Rutschungen kommt und sich der Wald wieder verjüngt und dadurch stabilisiert.

Das ist genau das Paradoxon unserer Klimaveränderung: Zum einen war die Luft in Europa in den letzten 400 Jahren nie so trocken wie heute, was die Uni Hohenheim übrigens am Wachstum der Jahrringe der Bäume festgestellt hat. Dies ist physikalisch begründet durch den sogenannten „Wasserdurst“ der Luft – die trockene Luft entzieht dem Boden und den Pflanzen Wasser, was zum reduzierten Wachsen oder sogar zum Absterben von Bäumen führen kann. Zum anderen verursachen extreme Niederschläge Schäden, weil der Boden die Wassermassen gar nicht so schnell aufnehmen kann.

„Hallo Wald – wie geht es Dir?“ Sie sehen, die Frage stellt sich heute mehr denn je!

Es grüßt Sie herzlich
Ihre Susanna Tausendfreund
Erste Bürgermeisterin

19.3.2024