Eindrückliche Vorstellung des neuen Bands der Pullacher Schriftenreihe „Fremder Hände Arbeit“ im Bürgerhaus

Am Montag, den 17. März, wurde im Bürgerhaus das neue Werk von Dr. Susanne Meinl „Fremder Hände Arbeit. Gedenkbuch der ausländischen Zivilarbeiter, Zwangsverpflichteten, Kriegsgefangenen und Verschleppten 1939 – 1945“ vorgestellt. Mehr als 150 interessierte Gäste waren gekommen, um sich in Inhalt und Anliegen des Buches und die Erforschung der Zwangsarbeit während der NS-Zeit im Allgemeinen einführen zu lassen.

Die Erste Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund eröffnete die gut besuchte Veranstaltung. Bei der Begrüßung wies sie darauf hin, dass es für einige Verwandte von Zwangsarbeitern, zu denen gute Kontakte bestanden, leider nicht möglich war, nach Pullach zu kommen. Sie erwähnte beispielsweise die Nachkommen des Zwangsarbeiters Andrij Andrijewitsch Pawenko (1923 – 2006), die wegen der Kampfhandlungen in der Ukraine nicht reisen konnten. Umso erfreulicher war es, dass Peter Noordermeer, Neffe des niederländischen Zwangsarbeiters Maarten Vinke (1920 – 1945), aus der Gegend von Den Haag vor Ort sein konnte.  

Pullachs Erste Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund eröffnete die Buchvorstellung im gut besuchten Bürgerhaus

Frau Tausendfreund unterstrich, dass es der Gemeinde nicht nur um die wissenschaftliche Bearbeitung eines Kapitels der Ortsgeschichte geht, sondern auch um Anerkennung und in gewisser Weise posthume Wiedergutmachung für die Opfer, die man zeigen und aussprechen wolle.

Die Vorsitzende des Pullacher Geschichtsforums, Angelika Bahl-Benker, stellte in ihrem Grußwort heraus, dass man nach Vorlage dieses Buches sicher nicht mehr übersehen kann, was schon während der NS-Zeit kaum zu übersehen war: Menschen in ungeheurer Zahl wurden verschleppt, um die Wirtschaft während des Krieges in Gang zu halten – und das bei überwiegend miserablen Arbeitsbedingungen und elenden Verhältnissen in Lagern und Unterkünften. Es sei eine längst überfällige und umfassende Recherche.

Dr. Susanne Meinl schilderte in ihrem Vortrag unter anderem den Fall des Zwangsarbeiters Nikolaj Krotenko

Die Erste Bürgermeisterin und Frau Bahl-Benker sprachen der Autorin Dank und hohe Anerkennung für das nun erschienene Gedenkbuch aus, das mit der gewohnten Gründlichkeit und Genauigkeit recherchiert sei. Sie dankten ebenso allen, die zum Gelingen des Buches beigetragen haben – darunter insbesondere auch dem Gemeinderat, der das Projekt beschlossen und finanziell gefördert hat.

In Erinnerung bleibt auch der Vortrag von Herrn Noordermeer. Er zeichnete in bewegenden Worten das Leben seines Onkels nach, der nach schwierigen Jahren der Zwangsarbeit in den letzten Kriegstagen während Kriegshandlungen zwischen deutschen und amerikanischen Truppen tödlich verletzt wurde. Seine Familie habe unter dem Tod sehr gelitten, die Eltern seien im Grunde daran selbst gestorben, berichtete der Niederländer. Einige Nachkommen wurden nach Maarten benannt und auch für ihn selbst sei der Onkel während der Jahre seiner Kindheit ein Vorbild gewesen.

Anschließend führte die Historikerin Dr. Susanne Meinl in das System der Zwangsarbeit ein, wie es sich auch in Pullach und Umgebung zeigte. Dabei ging sie auf Täter und Opfer ein, die sie bei ihren Ermittlungen feststellen konnte. Sie schilderte den erschütternden Fall des Zwangsarbeiters Nikolaj Krotenko, geboren 1927 vermutlich in Simferopol. Er wurde als 15-Jähriger verschleppt und kam im Verlauf seiner Zwangsarbeit zwischen August 1943 und Mai 1945 wahrscheinlich sechs Mal in KZ-Haft. Letztendlich wurde er von amerikanischen Truppen aus dem Konzentrationslager Mauthausen befreit. Dass das Buch trotz der schwierigen Bedingungen wie der Pandemie und dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine entstehen konnte, ist der Verdienst von vielen. Besonders dankte Frau Dr. Meinl dem Historiker Iwan Kapas, der aus Beresan stammt. Er habe umfangreich ukrainische Quellen erschlossen und in kaum erhoffter Weise Kontakte hergestellt.

Für bereichernde Erkenntnisse sorgte ebenso Dr. Paul-Moritz Rabe vom NS-Dokumentationszentrum München. Er stellte in seinem Vortrag die Frage: „Zwangsarbeit erinnern. Warum? Weshalb? Wozu?“. Die Zwangsarbeit des NS-Regimes habe auch im Großraum München zahllose Spuren hinterlassen. In der Stadt und der Umgebung gab es 400 bekannte Unterkünfte. Vor allem aber habe das System der Zwangsarbeit zahlreiche Menschen vieler Nationalitäten betroffen. Nachfahren leben heute sicherlich in größerer Zahl noch hier. Es sei der Verdienst einer Demokratie, sich mit der Frage zu beschäftigen, wie es zu totalitären Verfügungen und Plänen wie denen, die zur Zwangsarbeit führten, kommen konnte.

Sehr beeindruckend und passend wirkte anschließend der musikalische Beitrag auf dem Akkordeon durch Mykhailo Trypolskyi. Seine zwei vorgetragenen Volkslieder machten den Verlust der Heimat der ukrainischen Zwangsarbeiter für das Publikum ein Stück weit erfahrbar.

Mykhailo Trypolskyi bereicherte den Abend auf dem Akkordeon

Abgerundet wurde die Veranstaltung durch die Lesung von Texten französischer Kriegsgefangener durch Schülerinnen des Gymnasiums Pullach. Dabei boten die beiden Autoren Jean Serre und Robert Combier einen intensiven, ehrlichen, teils sogar versöhnlichen und humorvollen Blick auf die Zwangsarbeit.

Der neunte Band der Pullacher Schriftenreihe „Fremder Hände Arbeit“, der 373 Seiten umfasst, kann für 30 Euro am Rathaus-Empfang erworben werden.

Eine Übersicht über die Geschenke der Gemeinde Pullach finden Sie hier.

Gemeinde Pullach
25.03.2025