Am 22. April wurde mein Vorgänger, Altbürgermeister Jürgen Westenthanner, beigesetzt. Auf seiner Gedenkfeier durfte ich ihn mit einer Rede ehren. Meine Gedanken zu dem Mann, der eine so große Lücke im Ort hinterlässt, möchte ich auch mit Ihnen teilen:
Als wir die Nachricht vom plötzlichen und viel zu frühen Tod von Jürgen Westenthanner erhalten haben, war dies wie ein Schock und es ist noch immer schwer zu begreifen, dass er nicht mehr unter uns ist, uns aufmuntert, uns zuhört, Lösungen findet.
Liebe Sophie, liebe Familie, es war in allen Gesprächen, die ich nach dieser traurigen Nachricht geführt habe, ganz eindringlich zu spüren, wir sehr die Gedanken der Menschen in Pullach bei euch sind, wie sehr und wie tief alle mitfühlen und euch Trost wünschen, wie sehr alle in unserer Gemeinde deinen Ehemann, euren Vater, den Schwiegervater, den Großvater, das Pullacher Urgestein, den Menschen, den Freund Jürgen Westenthanner hoch geschätzt haben, ihn vermissen und euch beistehen wollen.
Für die Gemeinde Pullach, aber insbesondere auch ganz persönlich möchte ich euch mein tiefstes Mitgefühl und Beileid aussprechen. Denn für Jürgen Westenthanner stand die Familie an erster Stelle. Das war immer deutlich zu spüren, die Ehe, die Entwicklungsmöglichkeiten der Kinder, die gemeinsamen Unternehmungen und Urlaube. Und er hat die Familie immer als große Familie begriffen, in die er viele großzügig einbezogen hat. So konnte ich bei der einen oder anderen Gelegenheit ebenfalls ein wenig in diese besondere Stimmung hineinschnuppern. Auch wenn ich nur zum kurzen Gratulieren vorbeikommen wollte, wurde ich gleich eingeladen, noch eine Weile am großen Tisch im gemütlichen Wohnzimmer Platz zu nehmen. Dabei haben dann deutlich wichtigere Gespräche stattgefunden, als bei den offiziellen Anlässen. Ernsthaft und humorvoll.
Bei diesen Gedanken habe ich ein Foto vor Augen, das ich vor ein paar Jahren bei der Feuerwehr gemacht habe. Jürgen hält dabei Theresa ganz verliebt auf dem Arm. Da war sie ungefähr so alt wie Maximilian heute. Und es war sehr schön zu beobachten, wie sehr ihr beide, liebe Sophie, in der Rolle der stolzen Großeltern aufgegangen seid und mit dem Kinderwagen und dem ersten Roller mit den beiden Kleinen unterwegs wart.
Jürgen Westenthanner hat sein ganzes Leben in den Dienst seiner Gemeinde gestellt. Auch dabei hat er die Zusammenarbeit und den Zusammenhalt in der Verwaltung, den Einsatz für die Feuerwehr, die kommunalen Partnerschaften, das Vereinsleben, das Miteinander bei den Feierlichkeiten immer als große Familie begriffen. Einen Lebenslauf wie seinen findet man heutzutage nur noch ganz selten. Er kannte alle und alle kannten ihn. Nicht nur oberflächlich, sondern mit vielen echten Freundschaften. Er half und unterstützte wo er konnte. Er ist für andere, die Unterstützung brauchten, immer eingestanden. In solchen Fällen wurde deutlich, was für ein herzensguter, hilfsbereiter Mensch er war.
Jürgen hat in der Kagerbauerstraße gewohnt, ist hier zur Schule gegangen und hat mit 15 seine Verwaltungslehre in der Gemeinde begonnen. Das war 1963. Ich kann mir dieses Datum gut merken, da ich in diesem Jahr auf die Welt kam und ebenfalls in der Kagerbauerstraße aufgewachsen bin.
In der Gemeindeverwaltung hat Jürgen Westenthanner praktisch alle Stationen durchlaufen, die in einer Gemeinde möglich sind. Somit kannte er alle Abläufe und die beteiligten Personen sehr gut. Eingestellt mit Lehrvertrag wurde Jürgen noch von Bürgermeister Josef Breher. In der Amtszeit von Josef Seidl wurde er 1967 als Beamter vereidigt. Seine wichtigsten Stationen waren die Leitung des Ordnungsamtes und ab 1982 die Leitung der Abteilung Finanzen. Kämmerer zu sein ist eine Schlüsselposition in einer Gemeinde. Hierzu wurde er von Bürgermeister Seidl berufen, der selbst aus der Finanzverwaltung kam. Jürgen Westenthanner übte diese Funktion in den Amtszeiten von Ludwig Weber, Sabine Würthner und Dr. Stefan Detig aus, bis er 2008 zur „Krönung“ seiner Gemeindekarriere selbst zum Ersten Bürgermeister gewählt wurde.
Nicht nur die Geschicke der Gemeinde hatte er gelenkt, sondern auch die des Zweckverbands des Gymnasiums, der Wohnungsbaugesellschaft und der Geothermiegesellschaft IEP, bei der in seiner Zeit weitere entscheidende Weichen gestellt wurden.
Als junge Gemeinderätin wollte ich wissen wie eine Gemeinde funktioniert, wollte verstehen, wie der Gemeindehaushalt aufgebaut ist. Damals hat mir Jürgen dies in aller Ruhe und in allen Einzelheiten beigebracht und detailliert erklärt, welche Vorgänge sich hinter den vielen Haushaltsstellen verbergen. Davon profitiere ich heute noch. In der Zeit, in der ich Jürgen als Kämmerer und später als Bürgermeister erleben durfte, war immer klar: Er hat im Rathaus sachorientiert gearbeitet und wollte, dass die Gemeindeverwaltung so gut wie möglich organisiert und geleitet wird, unabhängig von den jeweiligen politischen Einflüssen. Da gingen pragmatische Lösungen für ihn vor. Die Rathausbelegschaft war ebenfalls ein Teil seiner Pullacher Familie. Sowohl als Kollege, als auch als Vorgesetzter und dann als Chef und Papa des ganzen Rathauses war ihm ein gutes Arbeitsklima sehr wichtig. Er wollte, dass alles passt, auf die Anliegen der Mitarbeitenden eingehen, ein offenes Ohr für sie haben und der Verwaltung eine großzügige und menschliche Note geben. Das alltägliche Miteinander außerhalb der Tagesordnung kam auch hier nicht zu kurz. Dabei zeigte sich besonders seine humorvolle Art, wie wir sie alle auch bei sonstigen geselligen Gelegenheiten erleben konnten. Aber natürlich hatte er seinen eigenen Kopf, seine eigenen konkreten Vorstellungen was geht und auch was nicht geht und er hatte seine Steckenpferde, für die er einstand. Dazu gehörte das Pullacher Freizeitbad in den unterschiedlichen Bau-, Betriebs-, Sanierungs- und Planungsphasen. Ich hätte mir sehr gewünscht, dass er den Neubau, den er bereits in seiner Amtszeit vorangetrieben hat, noch hätte mitgestalten können.
Wichtig waren ihm die Kinderbetreuung, die Schulen, die Sportmöglichkeiten für die Vereine, das Vereinsleben insgesamt – und natürlich die Feuerwehr und die Verbindung mit der Feuerwehr Bischofshofen, die örtlichen Firmen und dass die Gemeinde ihren Charakter nicht verliert.
Unterschiedliche Auffassungen oder politische Konkurrenz zählten für Jürgen Westenthanner nicht, wenn es um das Wohl der Gemeinde ging. Viele Entscheidungen wurden einvernehmlich über die Parteigrenzen hinweg getroffen. Und als ich mein Amt als Bürgermeisterin angetreten habe, hatte ich seine volle Unterstützung für einen guten Einstieg und darüber hinaus.
45 Jahre Mitarbeiter der Gemeinde, zusätzlich 6 Jahre Erster Bürgermeister und die Ehrung als Altbürgermeister, viele Jahrzehnte aktiver Dienst und Vorstandstätigkeit bei der Feuerwehr, viele weitere ehrenamtliche Tätigkeiten, die er ohne groß darüber zu reden erledigt hat, das ist bereits eine außergewöhnliche Lebensleistung. Es hätten noch 12 Jahre Gemeinderatstätigkeit hinzukommen sollen. Aber 2014, kurz vor der Amtsübergabe war Jürgen Westenthanner plötzlich sehr krank. Es war sogar sehr knapp. Sein Leben hing am seidenen Faden. Die Genesung brauchte Zeit, sodass er auf das Gemeinderatsmandat verzichtete. Er hatte sich zum Glück wieder sehr gut erholt. 2020 kandidierte er erneut und seine Bekanntheit und sein Ansehen spiegelten sich im Wahlergebnis wieder. Nun verlieren wir Jürgen Westenthanner auch als kompetenten Gemeinderat mit fundiertem und jahrzehntelangem Wissen nach nur zwei Jahren in unserem Gremium.
Aus den Partnergemeinden Pauillac in Frankreich und Baryschiwka/Beresan in der Ukraine haben uns Beileidsschreiben erreicht, die Jürgen Westenthanners Aktivitäten für die beiden Partnerschaften hohen Respekt und große Anerkennung zollen.
Auch hier stand Jürgen immer bereit, wenn es etwas zu organisieren gab, die Kindereinladung mit Fahrdiensten zu begleiten war, der Feuerwehraustausch mit Frankreich zum Barbarafest anstand, oder Fahrzeuge in die Ukraine zu transportieren waren. Aus den Beileidsschreiben aus Frankreich möchte ich ein paar Sätze zitieren: „Er war ein Mann von großem Wert, der sich sehr für seine Gemeinde, aber auch für die Städtepartnerschaft zwischen unseren beiden Städten engagierte. Er verstand es, seine Lebensfreude und seine Anteilnahme zu vermitteln. Sein Andenken wird in unseren Erinnerungen verankert bleiben. In diesen unruhigen Zeiten soll uns die Erinnerung an Herrn Jürgen Westenthanner nun an das Engagement und das Interesse an der Einheit erinnern.“
Aus der Ukraine möchte ich ebenfalls ein paar Sätze aus den Beileidsbekundungen zitieren: „Wir erinnern uns an einen Mann mit Mut und Charisma, der mehrere Jahrzehnte in der Partnerschaft “Pullach – Baryschiwka/Beresan” aktiv gearbeitet hat. Jürgen hat immer die beste Umsetzung gemeinsamer Programme und Projekte unterstützt. Die leuchtende Erinnerung an einen offenen, aufrichtigen Mann wird für immer in den Herzen der Menschen bleiben, die ihn kannten und respektierten. Die hellen Erinnerungen an diejenigen, die gute Taten hinterlassen und ihr Leben ehrlich gelebt haben, werden immer stärker sein als der Tod.“
Liebe Sophie, liebe Familie, unsere Gedanken sind bei euch. Wir hätten euch allen noch viel Zeit mit Jürgen, viele Urlaube in Südtirol, viele Stunden in der Familie am großen gemütlichen Wohnzimmertisch gewünscht. Ich hoffe, ihr könnt ein wenig Trost in der großen Anteilnahme finden.
Die ganze Gemeinde wird Jürgen Westenthanner ein ehrendes Gedenken bewahren. Lieber Jürgen, unsere Gemeinde hat dir viel zu verdanken, du wirst uns allen sehr fehlen.
Susanna Tausendfreund
Erste Bürgermeisterin