Rede zu 70 Jahre Grundgesetz

Ich begrüße Sie herzlich zu unserem Festvortrag „70 Jahre Grundgesetz“ im Bürgerhaus. Es ist mir eine große Freude zu sehen, wie viele interessierte Zuhörerinnen und Zuhörer gekommen sind und heiße sie herzlich willkommen! Zunächst möchte ich mich bei unserem Künstler bedanken. Am Flügel spielt für uns heute Abend: Tom Wende! Er wird auf unterschiedliche Weise die deutsche Nationalhymne interpretieren. Vielen Dank für diese wunderbare musikalische Einführung und Umrahmung. Herzlich willkommen und ein herzlicher Applaus für Tom Wende!

Überschrieben ist die heutige Veranstaltung mit dem Titel „Festvortrag zu 70 Jahre Grundgesetz – zwischen Dankbarkeit, Stolz und Verantwortung“. Es ist mir eine große Freude und Ehre, als Referenten dieses Festvortrags Professor Dr. Peter Michael Huber begrüßen zu dürfen! Vielen Dank, dass Sie heute bei uns sind.

Als Richter am Bundesverfassungsgericht ist Prof. Huber tagtäglich damit beschäftigt, die Grundlagen unseres Rechtsstaats zu überprüfen, Anspruch und Wirklichkeit miteinander abzugleichen, auch Korrekturen vorzunehmen und die Grundgedanken und -prinzipien der Verfassung an gesellschaftliche oder technische Entwicklungen anzupassen. Schließlich hat es zahlreiche Fortentwicklungen der Verfassungsgrundsätze und deren Auslegung durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gegeben. Auch wurden dem Gesetzgeber vielfach Grenzen gesetzt. Sehr geehrter Herr Prof. Huber, ich bin sehr gespannt auf Ihren Vortrag.

Ganz herzlich bedanken möchte ich mich bei den Mitgliedern des Festkomitees. Sie haben die Veranstaltungswoche „70 Jahre Grundgesetz“ organisiert. Alle fünf Gemeinderatsfraktionen sind in diesem Festausschuss vertreten, und so begrüße ich Johannes Schuster von der WiP-Fraktion, Dr. Andreas Most von der CSU, Johannes Burges, FDP, Holger Ptacek, SPD, und Renate Grasse von der  Fraktion der Grünen. Seit Monaten legen Sie sich für dieses besondere Ereignis ins Zeug. Es ist eine sehr schöne und vorbildliche Gemeinschaftsaktion dabei herausgekommen. Deshalb an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön für Ihren und euren Einsatz! Das hat einen Applaus verdient!

Mein herzlicher Dank gilt auch dem Team unseres Bürgerhauses unter Leitung von Frau Dr. Stegmayer für die hervorragende Unterstützung bei der Organisation dieses Abends. Erlauben Sie mir außerdem noch einige Gäste, die heute Abend zu uns gekommen sind, persönlich zu begrüßen: Altbürgermeister Ludwig Weber, Sabine Würthner, Dr. Stefan Detig, Jürgen Westenthanner und den Nachbarbürgermeister aus Baierbrunn, Wolfgang Jirschik. Unseren Ehrenbürger Erwin Deprosse, Herrn Pfarrer Fluck, Herrn Pfarrer Höhne und die Gemeinderatsmitglieder. Begrüßen darf ich den Pressesprecher des BND, Herrn Martin Heinemann, der heute aus Berlin zu uns gekommen ist. Der ehemalige BND-Präsident Hans-Jörg Geiger ist ebenfalls Gast bei uns. Herzlich willkommen. Herr Radmacher vom Polizeipräsidium München ist stellvertretend für den Polizeipräsidenten Hubertus Andrae zu uns gekommen. Darüber hinaus begrüße ich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gemeinde, die Pressevertreter/innen und die Vertreterinnen und Vertreter der Pullacher Unternehmen, sowie die Mitglieder unserer Vereine, Parteien, Kirchen und anderer Institutionen.

Der Festvortrag von Professor Dr. Michael Huber ist ein Höhepunkt unserer Festwoche zu „70 Jahre Grundgesetz“ in Pullach. Aber die Mitglieder des Festkomitees haben bei den Planungstreffen noch viele weitere Ideen gehabt. Wie Sie beim Hereinkommen sicherlich schon gesehen haben, ist im Foyer unseres Bürgerhauses eine Ausstellung aufgebaut. „Freiheit und ich“ lautet ihr Titel – denn sie setzt sich mit den Freiheitsrechten auseinander, die in unserem Grundgesetz verankert sind. Konzipiert wurde die Ausstellung von der Nemetschek-Stiftung, die sie als eine Mit-Mach-Ausstellung für Jugendliche und Erwachsene angelegt hat. Bis zum 7. Juni bleibt sie bei uns im Bürgerhaus – und ich möchte alle dazu einladen, die Ausstellung zu besuchen!

Auf gutes Wetter hoffen wir alle am Samstag: Denn am 1. Juni steigt das große Musikfest. Die Organisatoren des Festkomitees haben knapp zwei Dutzend Bands organisiert, die von 16 bis 22 Uhr in ganz Pullach spielen. Das aktuelle Programm finden Sie auf den Plakaten in unserer Gemeinde oder im Internet auf pullach.de.
Besonders möchte ich auch auf die Veranstaltung in der Charlotte-Dessecker-Bücherei am Dienstag, den 4. Juni, um 14.30 Uhr hinweisen. Hier liest Georg M. Oswald aus seinem Buch „Unsere Grundrechte“ über die aktuelle Bedeutung bürgerlicher Freiheit. Zur Veranstaltung werden zwei zehnte Klassen der Mittelschule anwesend sein, deshalb wurde der Termin auf den Nachmittag gelegt. Aber die Lesung ist offen für alle – und wir würden uns freuen, wenn sie Ihr Interesse findet. Vielen Dank an Frau Dr. Petraschka und das Team der Bücherei, die diesen Programmpunkt noch zusätzlich beigetragen haben.

Ein solches Programm, meine sehr geehrten Damen und Herren, stellen nicht viele Gemeinden auf die Beine. Und dass uns dieses große Projekt in interfraktioneller Zusammenarbeit gelungen ist, ist ebenfalls etwas Besonderes. Es unterstreicht, wie wichtig es dem Gemeinderat und allen Beteiligten war, dieses Jubiläum zu feiern – und zwar ausgelassen und voller Freude, so wie wir es beim Musikfest am Samstag tun wollen. Das große Engagement im Vorfeld macht auch deutlich, dass dieses Jubiläum ein besonderer Moment ist, um innezuhalten und darüber nachzudenken, was vor 70 Jahren geschehen ist, wie das Grundgesetz, das dem millionenfachen Völkermord durch die NS-Schreckensherrschaft ein Nie wieder entgegensetzen sollte, in dieser Zeit Garant für Rechtsstaatlichkeit und Frieden war und was es auch heute noch für unser Leben bedeutet.

Unser Grundgesetz, wie es 1949 auf Herrenchiemsee zu Papier gebracht wurde, galt wegen der Teilung Deutschlands zunächst nur als „Provisorium“, als Symbol für den fortwährenden und dringenden Wunsch, diese Teilung, die Trennung der Familien und das Regime der DDR zu überwinden. Es mussten 40 Jahre vergehen, bis die Bürgerrechtsbewegung in der DDR, die friedliche Revolution, bis Glasnost und Perestroika zum Fall der Mauer führten. Auch hier gab es früh bürgerschaftliche Initiativen. Ihr Ziel war es, den „Eisernen Vorhang“ durch zivilgesellschaftliches Engagement, durch Kontakte zwischen den Menschen sozusagen löchrig werden zu lassen.

In Pullach hat eine kleine Gruppe beispielsweise schon 1981 den sogenannten „Pullacher Friedensaufruf“ gestartet und Unterschriften gesammelt, mit dem Ziel, Kontakte auf kommunaler Ebene zu knüpfen. Selbst hatte ich freundschaftliche Kontakte zu Menschen in der DDR, die Ausreiseanträge gestellt hatten und eingesperrt wurden. Das brachte mir wiederum ein Einreiseverbot ein. Mein Mann Odilo Helmerich schmuggelte damals einige Manuskripte aus der DDR heraus, was extrem gefährlich war. Sie erschienen dann im Westen als kritische Beiträge unter Pseudonym.

Mit der Wiedervereinigung 1990 wurde das Grundgesetz dann zur endgültigen Verfassung. Meines Erachtens hätte es für die Identifikation mit dem Grundgesetz gut getan, wenn es die Gelegenheit einer Volksabstimmung durch die gesamte Bevölkerung in beiden ehemals geteilten Staaten gegeben hätte, sich also das Volk seine Verfassung tatsächlich selbst gibt. Die politische Entscheidung wurde anders getroffen.

Fast 30 Jahre sind seither vergangen – und die Welt hat sich schneller verändert, als man sich das damals hätte vorstellen können. Wir stehen vor neuen Herausforderungen, wie dem rasanten technische Fortschritt, der Globalisierung, der Digitalisierung oder dem Klimawandel. Gerechtigkeitsfragen, Verteilung von Ressourcen, Sicherung der Lebensgrundlagen weltweit gehen uns alle an. Wir stehen vor der Aufgabe, den Frieden in Europa und darüber hinaus zu erhalten und Kriegen und Terror entgegenzuwirken. Auf all diese Fragen können wir in den Rechtstaatlichkeitsgrundsätzen, den Freiheits- und Menschenrechten, die uns das Grundgesetz aufzeigt und garantiert, Antworten finden.

Lassen Sie uns den freudigen Anlass nutzen, um das Grundgesetz nicht als etwas „selbstverständlich Vorhandenes“ zu betrachten. Lassen Sie uns die Geschichte heute Abend noch einmal Revue passieren und reflektieren. Zunächst zeigen wir Ihnen dazu einen kleinen Film mit Ausschnitten aus der „Neuen Deutschen Wochenschau“ von 1948 und 1949. Damit möchten wir Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, zurückversetzen in die Entstehungszeit des Grundgesetzes. Nach dem Krieg, den Millionen Toten und Vertriebenen, sprachen viele von der „Stunde null“. Aber wie der britische Philosoph R. G. Collingwood sagt: „In der Geschichte gibt es keinen Beginn und kein Ende.“ Alles folgt aus und nach dem anderen. Gehen wir also zunächst 70 Jahre zurück –

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Nach dem Film hören wir noch einmal Musik von Tom Wende. Und danach freue ich mich auf den Festvortrag von Prof. Huber. Aber zunächst: Film ab, bitte!

29. Mai 2019