Zum Verhältnis BND und Gemeinde Pullach gibt es viel zu erzählen. Alleine wenn ich im Urlaub gefragt werde, wo ich wohne, und ich daraufhin antworte: „in Pullach, das ist eine kleine Gemeinde südlich von München“, löst dies bei vielen Außenstehenden bereits folgende Assoziation aus: ah Pullach, dort, wo alles ganz geheim ist!
In einem Grußwort sind natürlich nur ein paar Schlaglichter möglich. Ich möchte Außenansichten und Innenansichten beleuchten:
- Die meisten Pullacher können das Gelände hinter der Mauer nur von außen betrachten. Jetzt auch noch mit neuem Stacheldraht.
Aber es arbeiten mehr Pullacher im BND, als man denkt. Sie haben dort nur andere Namen und sie sind sehr verschwiegen.
- Bis zum Fall des „Eisernen Vorhangs“ war es praktisch unmöglich, Schulklassenfahrten nach Berlin zu unternehmen, denn es waren immer auch Kinder von BND-Angehörigen dabei, die aus Sicherheitsgründen im „Interzonenzug“ nicht reisen durften. Ein Flug für alle wäre zu teuer gewesen. Wenn nur einzelne Schüler den Flieger genommen hätten, wäre allen anderen klar gewesen, dass dies etwas mit ihren Eltern und der „Firma“ zu tun hat.
- Die internen Vorgänge, die oft die Weltpolitik betroffen haben oder sogar entscheidend beeinflussten, mögen hier sehr nah bei uns geschehen sein, sie waren und sind für die Gemeinde aber sehr fern.
- Über die Jahre hinweg habe ich zumindest das Gelände und einzelne Gebäude recht gut kennengelernt. Das erste Mal durfte ich als junge Gemeinderätin „hinein“, das war während der Amtszeit des Präsidenten Hans-Georg Wieck, der damals Erweiterungspläne hatte. Es folgten viele weitere Besuche.
Ich habe eine ganz eigene, abgeschlossene Siedlung innerhalb unserer Gemeinde erlebt. Es gibt dort Dinge, die wir sonst in der Gemeinde nicht überall haben, wie z.B. die drei Kreisverkehre oder damals noch das Freibad. Dort konnten die Spione wohl das „Abtauchen“ üben.
- Der sanfte Öffnungsprozess wurde von unserer Gemeindebevölkerung sehr positiv aufgenommen. Es war schon fast revolutionär, als am „neuen“ Haupteingang mit der Adresse Heilmannstraße 30 das Schild „Bundesnachrichtendienst“ angebracht wurde. Vorher sprach man immer nur von der „Liegenschaftsverwaltung“. Und in den Straßenplänen war grafisch Wald über das Gelände gelegt – bis das Google-Zeitalter anbrach.
„Liegenschaftsverwaltung“, das war die ganz neutrale Bezeichnung für einen ganz geheimen Ort, immer kombiniert mit einem Augenzwinkern. Unter der Bezeichnung können Sie den BND übrigens noch heute im örtlichen Telefonbuch finden.
Heutzutage wissen wir mehr über den Dienst und die verschiedenen Außenstellen. Die offenen Geheimnisse um Bad Aibling & Co. sind in unserer modernen Zeit nun keine echten Geheimnisse mehr.
- Die verschiedenen Buch-, Foto- und Ausstellungsprojekte, die gerade in den letzten Jahren befördert wurden, haben dazu beigetragen, dass alle, die bisher nur eine Außenansicht hatten, zumindest ein wenig mehr Innenansicht erhalten konnten.
Z.B. die Ausstellung und der Fotoband „Nachts schlafen die Spione“ von Martin Schlüter sind ein echter Genuss. Inzwischen heißt er Martin Lukas Kim – vielleicht ein Deckname – und er ist heute mit einem Ausschnitt der Ausstellung „licht. schatten“ seiner Fotodokumentation vertreten. Die eigentliche Ausstellung ist vom 22. Juni bis 22. Juli hier im Bürgerhaus zu sehen.
Ich möchte kurz eingehen auf die Vergangenheit, die Gegenwart und die möglichen Zukunftsperspektiven.
Zunächst zur Vergangenheit:
- 70 Jahre Nachrichtendienst in Pullach, so lautet es auf der Einladungskarte.
Die heutige Feier würdigt 9 Jahre Organisation Gehlen und 61 Jahre BND am Standort „Nikolaus“.
Der Standort erhielt seine Deckbezeichnung abgeleitet vom Nikolaustag 1947, an dem die Organisation Gehlen zusammen mit den Amerikanern das Gelände bezogen hatte.
Die Mitarbeiter und ihre Familien zogen in die Häuser ein, in denen einst Martin Bormann und seine Entourage wohnten und ein Führerhauptquartier eingerichtet hatten. Die Siedlung „Am Sonnenwinkel“ wurde ab 1936 für die Oberen der NSDAP errichtet, mit deutlichen Parallelen zum Obersalzberg.
Pullach Heilmannstraße – der erschreckende und der geheimnisvolle Ort.
Aus der Stabsleiter- bzw. Bormannvilla wurde das „Weiße Haus“ – in der Zeit, als die Amerikaner noch das Sagen hatten – und dann das „Doktorhaus“, Synonym für Reinhard Gehlen. Aus dem Bunker Hagen wurde ein Schießstand und der Dienst wurde größer und schließlich auch unabhängiger von der ehemaligen Besatzungsmacht.
Für die Pullacher war das Jahr 1956 sehr wichtig. Knapp zwei Monate nach der offiziellen Gründung des BND wurde am 25. Juni die Heilmannstraße, vorher Lagerstraße, wieder für die Allgemeinheit geöffnet.
Meine Eltern konnten sich noch gut an die Zeit erinnern, als es sehr umständlich war, Großhesselohe zu erreichen. Jetzt haben wir die interessante Situation, dass quer durch ein Geheimdienstgelände eine vielbefahrene öffentliche Straße führt – entlang an den längsten Bauwerken Pullachs, der Mauer und der Spundwand.
- Bezogen auf die Gegenwart kann ich viel Gutes über den „Öffnungsprozess“ des BND berichten und ich darf mich bei den Beteiligten für die gute Zusammenarbeit bedanken.
Dabei möchte ich beispielhaft hervorheben, dass es der Vorgängerpräsident Gerhard Schindler Schülern des Gymnasiums ermöglicht hat, für ein Geschichtsprojekt auf das Gelände zu kommen, unterstützt mit vielen Informationen durch Herrn Bodo Hechelhammer.
Auch ehemalige Bewohner konnten an einer Besichtigung teilnehmen. Es handelte sich um eine Gruppe von Menschen, die in der NS-Zeit als Kinder in der Bormann-Siedlung lebten. Es war sehr bewegend zu erleben, wie dadurch längst verschüttete und auch verdrängte Erinnerungen endlich bewältigt werden konnten.
Entstanden ist auch eine großartige Ausstellung, die in Pullach, am Obersalzberg und an weiteren Ausstellungsorten zu sehen war und sein wird. Dazu gibt es auch einen Band unserer Pullacher Schriftenreihe: „Pullach, Heilmannstraße, von der Reichssiedlung Rudolf Hess zur Zentrale des BND“. Dabei wurden das Pullacher Geschichtsforum und die Historikerin der Gemeinde, Frau Dr. Susanne Meinl dankenswerterweise sehr von Historikern des BND unterstütz.
Teil dieses Öffnungsprozesses ist natürlich auch die heutige Veranstaltung, die in dieser Form in früheren Zeiten sicher nicht stattgefunden hätte.
- Nun bin ich bei meinem Ausblick in die Zukunft:
Die Frage wird seit vielen Jahren immer und immer wieder gestellt: Was wird aus dem Gelände nach dem Umzug nach Berlin? Wer bleibt und wer muss umziehen? Welche Flächen werden wann freigegeben? Wie sehen die Entwicklungsperspektiven der Gemeinde aus?
Klar ist: Es steht uns ein längerfristiger Prozess bevor. Die verbleibende BND-Fläche wird weiterhin ein geheimnisvoller Ort sein. Und die Gemeinde wird auf alle Eventualitäten vorbereitet sein.
Für die Gemeinde ist der BND so etwas wie ein Teil der Verwandtschaft. Wir wohnen seit langer Zeit gemeinsam auf dem Gemeindegebiet. Nun ist ein Teil des BND „flügge“ geworden und zieht aus, der andere Teil bleibt.
Schöner als in der Chausseestraße ist es aus meiner Sicht hier in unserem Isartal. Ein bisschen Wehmut, einen großen Teil des Standorts „Nikolaus“ aufgeben zu müssen, wird sicher bei manchen von Ihnen mitschwingen.
In diesem Sinne ….
31. Mai 2017