Bürgerbrief: Delegationen aus Frankreich und der Ukraine zu Besuch in Pullach

Vielleicht fragen sich manche von Ihnen, warum die Gemeinde so viel Wert auf die beiden kommunalen Partnerschaften legt. Es ist der gelebte Gedanke der Völkerverständigung! Zum Zeitpunkt der jeweiligen Gründung war dies noch nicht selbstverständlich, die Völkerverständigung wird für den europäischen Gedanken aber immer wichtiger.

Im Jahr 1964 waren die Wunden des Zweiten Weltkriegs in Frankreich noch längst nicht verheilt. Nachkriegsdeutschland tat sich noch schwer mit der Aufarbeitung der Gräueltaten Hitlerdeutschlands, und ebenso schwer fiel der Schritt aufeinander zu, zwischen den vormaligen erbitterten Kriegsgegnern – der schon lange währenden „Erzfeindschaft“. Zwischen Pauillac und Pullach war der Funke der Vergebung, der Verständigung, der Gedanke des gemeinsamen Europas übergesprungen, auch wenn die deutsche Bevölkerung die Kapitulation noch längst nicht als Befreiung erkannt und die französische Seite noch den Stolz des Sieges am 8. Mai 1945 im Blick hatte. Paulliac-Pullach war eine der ersten deutsch-französischen Partnerschaften.

Als im Jahr 1990 die Partnerschaft zwischen Pullach und Baryschiwka / Beresan begann, gab es große Erleichterung über den „Fall der Mauer“ über das Ende des „Eisernen Vorhangs“ zwischen Ost und West, das Ende der militärischen Überaufrüstung zwischen der Sowjetunion und den USA. Die Gefahr eines nuklearen Overkills schien mit Gorbatschow und seiner Politik von „Glasnost“ und „Perestroika“ erledigt. Aber die Bevölkerungen hatten in den Jahren des „eisernen Vorhangs“ noch kein Verständnis der jeweils anderen Perspektive auf die Erfahrungen der Vergangenheit gewinnen können. Die Zusammenarbeit mit unseren ukrainischen Partnern ist geprägt von gemeinsamer Geschichte, die wir zunächst erst erkunden mussten. Die heutige Situation der Ukraine muss auch vor dem Hintergrund der Vorgeschichte – mehrfach überrollt von russischer und deutscher Seite,ausgehungert, geplündert, Menschen als Zwangsarbeiter*innen verschleppt – verstanden werden. Umso mehr wollen wir die Menschen in der Ukraine weiterhin unterstützen.

Ich bin froh darüber, dass unsere Partnerschaften bestehen und wir sie seither mit sehr viel Leben erfüllen. Dabei geht es nicht darum, ein Pflichtprogramm zu absolvieren, sondern darum, so viele Gruppen wie möglich einzubeziehen, die sich mit eigenen Ideen einbringen können, und es geht um Hilfe, dort, wo es notwendig ist, wie derzeit für die Ukraine.

Nach unserem tollen Besuch rund um das französische Maibaumfest in Pauillac im Mai letzten Jahres, reiste dieses Jahr eine über 70-köpfige Delegation aus Pauillac nach Pullach: Offizielle (Bürgermeister Florent Fatin und einige Stadträte), Mitglieder des Partnerschaften-Komitees mit ihrer Vorsitzenden Yannick Brel, die Musiker der Gruppe „Les Fanfares“, Lehrer*innen und Schüler*innen zweier Schulen und Feuerwehrangehörige. Hinzu kamen die Gäste aus der Ukraine, darunter der Bürgermeister von Baryschiwka Oleksandre Ilchenko, der Vorsitzende des Partnerschaftenvereins Boris Skoryk und die obersten Feuerwehrvertreter der Städte Baryschiwka und Beresan und des übergeordneten Rayon Browary.

Am Abend der Ankunft trafen wir uns im Sportheim. Bereits dort wurden wichtige Kontakte zwischen den französischen und den ukrainischen Gästen geknüpft. Die Gäste trafen dort auch ihre jeweiligen Gast-Familien. Das ist ein wesentlicher Bestandteil der Partnerschaften, dass fast alle Gäste wieder privat untergebracht werden konnten. Dadurch sind schon viele Freundschaften entstanden.

Neben verschiedenen Ausflügen mit Stadtführungen in München und mit lokaler Kulinarik im Augustinerkeller und im Hofbräuhaus standen auch Pullacher Besonderheiten auf dem Programm: Das offizielle Programm zum 150. Jubiläum der Freiwilligen Feuerwehr im Bürgerhaus und ein zünftiger Abend in der Waldwirtschaft.

Den Gästen wollten wir eine weitere lokale Besonderheit nicht vorenthalten, so gab es am Samstag, 20. Mai, eine Führung in der Burg Schwaneck. Nachmittags haben die „Fanfares“ das Programm der Feuerwehr zum 150-Jahr-Jubiläum auf den Seitnerfeldern mit einem Konzert bereichert. Ein „bunter Abend“ mit der „Publa“ und den „Fanfares“ im Pfarrsaal, zusammen mit der Delegation aus der Ukraine, sowie die Möglichkeit eines Besuchs des von der Feuerwehr organisierten Konzerts von „Nachtstark“ im Bürgerhaus rundeten den Tag ab.

Die Delegation aus Pauillac auf der Burg Schwaneck
Foto: Gemeinde Pullach

Am Sonntag gab es noch eine lockere Boule-Runde auf der Maibaumwiese, bevor es für die meisten in Richtung Flughafen ging.

Boulen auf der Maibaumwiese
Forto: Gemeinde Pullach

Am Montag startete die Anschlussreise. Die französischen und deutschen Mitreisenden besuchten Ingolstadt, Bad Berneck, Bayreuth, den Luftkurort Gößweinstein, die malerische Kleinstadt Pottenstein und Kulmbach. Wir erlebten Stadtführungen, eine Basilika-Besichtigung, ein Orgelkonzert, das Opernhaus, eine Höhlen-Führung, wir besuchten Museen und genossen etliche kulinarische Highlights.

Die lustige Truppe der Anschlussreise in Bad Berneck
Foto: Lutz Schonert

Was wird nun die Zukunft bringen, denn auf den vergangenen 150 Jahren werden wir uns sicher nicht ausruhen.

Ich danke allen für die tolle Woche und den Einsatz dafür, dass unsere Partnerschaften mit Leben erfüllt sind. Mein Dank gilt allen Gastfamilien, Übersetzerinnen, Organisatorinnen und Organisatoren, dem Ehepaar Süßner für die Bewirtung im Sportheim und dem Team des Bürgerhauses, sowie Herrn Pfarrer Fluck für die Bereitstellung des Pfarrheims.

Mein großer Dank gilt dem Organisationsteam um Renate Grasse, Partnerschaftenreferentin des Gemeinderats, Jérôme Sanchez, Rita Floß-Hecker, Monika und Christoph Glowka, Ulrike und Lutz Schonert, Benno Schroeder, Dietmar Brandstetter, Otto Horak und Barbara Kammerer-Fischer, dem Gemeinderat und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Gemeinde, hier insbesondere Frau Gabriele Döhren, die seit diesem Frühjahr für die Partnerschaften zuständig ist. Ohne die vielen organisatorischen Köpfe und helfenden Hände wäre eine solche Leistung nicht möglich, eben eine Gemeinschaftsleistung.

Wenn ich nun zu meiner Ausgangsfrage zurückkomme, warum die Gemeinde bzw. ich als Bürgermeisterin so viel Wert auf die beiden kommunalen Partnerschaften lege, antworte ich wie folgt: Ein friedliches Europa, eine friedliche Welt basiert auf den Menschen, die Interesse an dieser Idee haben, die gestalten wollen. Je besser man sich kennt und miteinander diesen positiven Gestaltungswillen hat, um so besser funktioniert der Gedanke der Völkerverständigung, wie er unseren Partnerschaften zugrunde lag. Und am besten funktioniert das auf der direkten, der kommunalen Ebene.

Wenn Sie Lust bekommen haben, an unseren Partnerschaften mitzuwirken und an den verschiedenen Aktivitäten teilzunehmen, lade ich Sie gerne ein, sich an uns zu wenden (buergermeisterin@pullach.de). Nächstes Jahr werden wir nach Pauillac in Frankreich eingeladen. Wer Interesse an der Delegationsreise bzw. der Anschlussfahrt hat (voraussichtlich 16.-19.05./24.05.2024) kann sich gerne ebenfalls melden.

Es grüßt Sie herzlich
Ihre Susanna Tausendfreund
Erste Bürgermeisterin

31.05.2023