Am vergangenen Sonntag, 19. November, fanden in unserer Gemeinde anlässlich des Volkstrauertags Gottesdienste und anschließend eine Gedenkfeier für die Opfer von Krieg und Gewalt in aller Welt statt.
Die Andacht hielten die Pfarrer Wolfgang Fluck und Martin Zöbeley. Hierfür ein herzliches Dankeschön. Für die tatkräftige Unterstützung bei der Organisation und die rege Teilnahme bedanken wir uns ebenfalls herzlich bei der Pullacher Blasmusik, bei der Freiwilligen Feuerwehr und bei den Pullacher Vereinen, die auch dieses Jahr mit dabei waren und damit den Stellenwert der Veranstaltung betont haben. Bedanken möchten wir uns auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bauhofs für die Vorbereitung der Veranstaltung vor Ort.
Für all jene unter Ihnen, die beim Volkstrauertag nicht dabei sein konnten, gibt es die Rede nochmals zum Nachlesen.
Rede von Susanna Tausendfreund, Erste Bürgermeisterin:
Sehr geehrte Damen und Herren,
dieses Jahr 2023 hätte eigentlich in besonderer Weise im Zeichen des Friedens stehen können – Frieden scheint aber ein Zustand geworden zu sein, der mehr und mehr abhandenkommt: Vor über sechzig Jahren unterzeichneten Frankreich und Deutschland am 22.Januar 1963 den Élysée-Vertrag. Sie begruben die sogenannte „Erbfeindschaft“, setzten für die Zukunft die Worte „Konsultation und Kooperation“ hoch an und schufen mit der deutsch-französischen Freundschaft das Fundament für das Zusammenwachsen Europas.
Mittlerweile dominieren der Krieg Russlands gegen die Ukraine sowie der Überfall auf Israel und das Ringen um Frieden und Sicherheit im Nahen Osten alle Nachrichten. Das Gedenken an den Élysée-Vertrag geht weitgehend unter.
Dies ist verständlich, denn das Leid, das die Menschen in den Kriegsgebieten erleiden müssen, sprengt unser aller Vorstellungskraft. Wir können nur erahnen, welche Gefahren von der Fortsetzung der Kriege und weiterer Eskalationen ausgehen.
Und wir fragen uns, was danach kommen kann? Für die Beantwortung dieser Frage ist ein Rückblick auf den Élysée-Vertrag wichtig.
Nachdem die neue Friedensordnung in Europa nach dem II. Weltkrieg entstanden war, dauerte es lange, bis sich Zusammenhalt, Respekt und Friedfertigkeit durchgesetzt hatten und ein solcher Vertrag möglich wurde. Es hat langer Arbeit für den Frieden gebraucht, bis dieser Vertrag zwischen Frankreich und Deutschland entstehen konnte.
Für Frieden, seine Entstehung und seinen Erhalt ist harte und langwierige Arbeit erforderlich. Dies ist eine hoffentlich bleibende Erfahrung. Recht und Dialog sind die Voraussetzungen für den Frieden. Alles das wissen wir sicher – und dennoch ist jetzt die Verunsicherung groß: Wie war es möglich, dass nun wieder Gewalt und Krieg Europa beherrschen? Hat man die Gefahr eines Krieges übersehen, unterschätzt und für den Erhalt des Friedens nicht genug gearbeitet? Warum zeigt sich nun wieder eine existenzielle Bedrohung für Israel und Unsicherheit in der gesamten Region. Erfahrungen mit Fragen von Bedrohung und Krieg gab es doch genug?
Eine wichtige Voraussetzung für die Arbeit für den Frieden ist, sich bewusst zu bleiben, was Krieg bedeutet und wie schnell und unkalkulierbar er ausbrechen kann. Sich an vergangene Kriege und deren Opfer, an Verfolgung, Antisemitismus und Rassismus zu erinnern, schafft eine Dringlichkeit, an den Frieden zu denken, sich um diesen sorgen und sich für den Frieden einzusetzen, Tag für Tag.
Unser Gedenken zum Volkstrauertag, das nun seit vielen Jahrzehnten Jahr für Jahr abgehalten wird, hat uns immer wieder wichtige Gedanken zum Frieden mit auf den Weg gegeben – vor allem das Gedenken an die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft. Es ist eine wichtige Tradition, sich hier und heute zu treffen. Diese Tradition wurde auch von unserem gerade verstorbenen Ehrenbürger und Altbürgermeister Ludwig Weber hochgehalten.
Wir denken an vergangene Kriege, die uns selbst betrafen, wir denken heute vor allem auch an den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, den Überfall auf Israel und die enorme Kriegsgefahr im Nahen Osten. Zehntausende ukrainische Soldaten und Zivilsten sind umgekommen. Auch werden zehntausende russische Soldaten zu Tode gekommen sein, die gegen ihren Willen in den Krieg ziehen mussten. Tausende Israelis und Palästinenser sind umgekommen. Die Verschärfung der jeweiligen Situationen ist zu befürchten.
Recht und Dialog sind die Kräfte, die Frieden ermöglichen und erhalten können. Der Weg zu diesen Kräften ist dort kaum zu erkennen und unvorstellbar lang. Doch dass ein Frieden in scheinbar noch so auswegloser Situation möglich ist, zeigt auch der Élysée-Vertrag sowie der Friede und die Freundschaft mit Frankreich. Wir hoffen, dass dieses Beispiel ein gutes Vorbild sein kann.
Fotos: Gemeinde Pullach
21.11.1023