Erinnern Sie sich noch an den Abend, an dem unserem Archivar und Ortschronisten Erwin Deprosse im Bürgerhaus die Ehrenbürgerwürde verliehen worden ist? Das war im September vor knapp zwei Jahren. Es wurden damals natürlich ein paar Reden gehalten. Es gab Musik. Und irgendwann im Lauf der Feier trat er dann auch selbst ans Mikrophon. Bedankte sich erst auf seine freundliche Art. Und dann fing er an, auf seine unverwechselbare Art und Weise ein bisschen etwas zu erzählen. Ein paar „Streiflichter aus der Pullacher Zeit“ wolle er weitergeben, meinte er, es ging dabei um die schlimmen Jahre des Kriegs. Und ich glaube, unter den Besuchern war niemand, der ihm nicht gebannt zuhörte.
Das ist und war ja immer sein Metier: Geschichte nicht nur zu erinnern, sondern im Erzählen auch lebendig werden zu lassen. Deshalb war ja auch vor inzwischen sieben Jahren der Wunsch entstanden, einen Film mit unserem Ortschronisten zu verwirklichen, ihn mit der Kamera zu begleiten bei den Ortsspaziergängen, die er bei der Volkshochschule ohnehin schon seit Jahren angeboten hat. Das Ganze war natürlich einzubinden in eine Rahmenhandlung und als professioneller Dokumentarfilm aufzubereiten. Umgesetzt wurde das Projekt von der Historikerin und Regisseurin Birgit Rätsch, die auch in Pullach wohnt. Und 2013 konnten die bestens gelungenen „Pullacher Geschichte(n)“ im Bürgerhaus uraufgeführt werden.
Ein kleines Problem gab es bei der Angelegenheit natürlich schon. Die 90 Minuten, die der Film dauert, haben freilich nicht gereicht, um darin auch nur ansatzweise alles zu verarbeiten, was Erwin Deprosse zu erzählen weiß. Auch wenn Birgit Rätsch all jene Episoden, die sie im Film nicht mehr untergebracht hatte, der Gemeinde als Transkript zur Verfügung stellte – wirklich zufrieden waren wir damit noch nicht. Deshalb habe ich ein Film-Folgeprojekt angestoßen und der Gemeinderat bewilligte die hierfür nötigen Mittel. An diesem Projekt, wiederum von Birgit Rätsch geplant und durchgeführt, wurde in den letzten Monaten mit Hochdruck gearbeitet – und diesen Samstag ist jetzt der letzte Drehtag. Gefilmt wird in der Sternheim-Villa in der Zugspitzstraße, ganz im Süden unserer Gemeinde. Im Herbst werden die „Pullacher Geschichte(n), Teil zwei“ dann fertig sein. Auch sie werden im Bürgerhaus zur Premiere gezeigt.
Dabei wird sich die Machart dieses zweiten Films an den Erstling im Wesentlichen anlehnen. Auch diesmal gibt es eine Rahmenhandlung, die jetzt allerdings auf der Auer Dult bei einem Postkartenhändler spielt. Auch diesmal wird im Film einiges an historischen Bildern und Dokumenten zu sehen sein. Und Erwin Deprosse, laut Birgit Rätsch ein hoch angenehmer Protagonist, wird an den verschiedenen Schauplätzen zu sehen sein – und erzählen. Zum Beispiel, wie Martin Bormann in der NS-Mustersiedlung „Am Sonnenwinkel“, wo er eine große Villa bewohnte. Den Nachbarn verbot er, sich Katzen zuzulegen, weil er diese Tiere hasste. Wie eine Bewohnerin sich dann seinen Anordnungen widersetzte, wogegen wiederum Bormann nichts unternehmen konnte, weil die Frau ein besonders enges Verhältnis zu Hitler gehabt habe. Sie sei mit ihm in früheren Zeiten hin und wieder ins Theater gegangen.
Zwei Tage konnte Birgit Rätsch mit ihrem Team auf dem Areal des Bundesnachrichtendienstes drehen. Auch der „Führerbunker“, den Bormann hatte anlegen lassen, weil er Hitler gern öfter in Pullach gesehen hätte, wurde für sie geöffnet. Sie meinte zu mir vor kurzem, auch der Garten von Bormann sei sehr interessant gewesen. Noch heute ist er mit vielen Nymphen bestückt. In den „Pullacher Geschichte(n), Teil zwei“ kommen außerdem die Wenz-Siedlung vor und auch das Berchmannskolleg der Jesuiten. Dorthin war Erwin Deprosse in den letzten Kriegstagen von seiner Mutter öfters geschickt worden, um Tee vorbei zu bringen. Die heutigen Pater-Rupert-Mayer- bzw. Tagesheimschulen dienten damals als Lazarett.
Es grüßt Sie herzlich
Ihre Susanna Tausendfreund
Erste Bürgermeisterin
6. Juni 2017