Bürgerbrief: Hilfsaktion im Ahrtal

Heute geht es ausnahmsweise mal nicht direkt um Pullach, aber dennoch um eine Pullacherin. Ich berichte Ihnen vom ganz besonderen Engagement unserer Mitarbeiterin Melanie Schellerer aus der Finanzabteilung. Im Rathaus kümmert sie sich unter anderem um die Abrechnung der Wasser- und Abwasserverbrauchsgebühren der VBS. In ihrer Freizeit schwingt sie zum zweiten Mal innerhalb von zwei Monaten wochenlang Bohrhammer und Meißel. Anstatt in ihrem Urlaub tatsächlich Urlaub zu machen, hilft sie fremden Menschen im Ahrtal beim Entkernen und Zurückbauen von Häusern, kochte für sie warme Mahlzeiten und schenkt ihnen ihr Ohr. Aber von vorne …

Melanie Schellerer ist begeisterte „Dachzeltnomadin“. Auf dem Dach ihres Autos befindet sich das ganze Jahr über ein Zelt, mit dem sie die verschiedensten Orte ansteuert. Diesen Sommer wollte sie eigentlich zu einer dreiwöchigen Offroad-Tour in die Pyrenäen aufbrechen. Als diese am Tag vor der Abreise abgesagt wurde, entschloss sie sich spontan, stattdessen in das von der Jahrhundertflut zerstörte Ahrtal aufzubrechen, um vor Ort mitanzupacken. Dort schloss sie sich der Hilfsaktion der „Dachzeltnomaden“ an, eine von mehreren Hilfsorganisationen, die derzeit im Ahrtal aktiv sind. Diese haben ein Camp aufgebaut und sind mit Hilfe von Spendengeldern gut mit Geräten ausgestattet und vor Ort vernetzt und organisiert. Bis zu 120 Helferinnen und Helfer engagieren sich seit nunmehr 90 Tagen an den Wochenenden unter der Koordination der „Dachzeltnomaden“ und setzen deren Motto „Das wir zählt“ um – unter der Woche sind es natürlich weniger. „Vom ersten Augenblick an wird man aufgenommen wie in einer Familie. Trotz vieler unterschiedlicher Charaktere: Alle haben das gleiche Ziel und die Zusammenarbeit funktioniert hervorragend, es bilden sich wunderbare Freundschaften,“ berichtete Melanie Schellerer.

Nach zwei Tagen in der Küche zog es Frau Schellerer auf die Baustelle. Sie wollte richtig mit anpacken und genau das tat sie auch. Die Hauptaufgabe war die Entkernung der vom Wasser beschädigten Gebäude. Konkret bedeutet das: Putz abstemmen, Böden raus, Trockengeräte rein, sofern sie verfügbar sind und dann hoffen, dass das Haus gerettet werden kann. Wenn die Kraft nicht mehr für den Bohrhammer reichte, hat sie Schutt rausgetragen und wenn auch das nicht mehr ging, wurden die Geräte gereinigt oder am Ufer der nun wieder so zahm wirkenden Ahr aufgeräumt. Es sind aber nicht die extrem anstrengenden körperlichen Arbeiten, die Frau Schellerer am herausfordernsten fand. Sie berichtet, dass der Einsatz vor allem psychisch an die Substanz ging. Das zwischenmenschliche, die schlimmen Schicksale, so viele Menschen, die alles verloren haben – am schlimmsten natürlich die menschlichen Verluste. „Das ist es, was zehrt.“ Herausfordernd sind auch die Rahmenbedingungen: Kaum heißes Wasser, Arbeiten im Regen, Nachts niedrige Temperaturen im Zelt auf dem Dach. Das Gesamtpaket hat Frau Schellerer eine Lungenentzündung beschert, die sie dann auch zum Abbruch ihres ersten Einsatzes zwang.

Und doch bricht sie schon wieder auf ins Ahrtal und braucht dort den Rest ihres Jahresurlaubs und ihrer Überstunden auf. Fragt man sie nach ihren Beweggründen, sagt sie „Es hat sich noch nie etwas in meinem Leben so sinnvoll angefühlt, wie dort zu helfen. Mein Leben hier, meine kleinen Sorgen, alles erscheint bedeutungslos gegen das, was ich dort gesehen habe.“

„So schwer das Erlebte zu verarbeiten ist, die Dankbarkeit und Herzlichkeit der Menschen vor Ort und der extreme Zusammenhalt wiegen jede Anstregung um ein vielfaches wieder auf.“ Frau Schellerer erzählt von zahlreichen „Danke“-Bannern an den Häusern, von der herzlichen Versorgung mit Kaffe und Kuchen und von vielen persönlichen Geschichten, die einem die Tränen in die Augen treiben. Sie erzählt aber auch von der Verzweiflung der Betroffenen, weil jetzt, drei Monate nach der Flut die Berichterstattung schon nur noch lokal stattfindet und Spendengelder immer weniger werden, obwohl noch nicht einmal die Aufräumarbeiten beendet sind, geschweige denn der Wiederaufbau begonnen hat. „So viele Menschen stehen vor dem Nichts. Ich habe das Gefühl, die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer schenken den Anwohnerinnen und Anwohnern Hoffnung. Jetzt einfach zuhause zu bleiben fühlt sich nicht richtig an.“

Doch die Mittel der „Dachzeltnomaden“, die sich ausschließlich aus Spendengeldern finanzieren, werden weniger. Wenn das Geld verbraucht ist, müssen sie ihren Einsatz beenden, denn die privaten Mittel sind längst erschöpft. Wenn Sie helfen wollen, können Sie die Organisation mit einer Spende unterstützen:

Dachzeltnomaden Hilfsorganisation gGmbH
IBAN: DE10 5776 1591 1728 5858 00
BIC: GENODED1BNA

Ich danke Melanie Schellerer stellvertretend für alle Helferinnen und Helfer für ihren großartigen Einsatz vor Ort und auch allen anderen Pullacherinnen und Pullachern, die auf die eine oder andere Art die Betroffenen im Ahrtal unterstützen.  

Es grüßt Sie herzlich
Ihre Susanna Tausendfreund
Erste Bürgermeisterin

26.10.2021

Fotos: Melanie Schellerer