Bürgerbrief der Ersten Bürgermeisterin: Über Zukunftsängste und Hoffnungen im Ausnahmezustand

Viele von uns sind durch die Corona-Pandemie in den letzten Wochen sehr nachdenklich geworden. Wir lesen fast täglich von unterschiedlichen Blickwinkeln. Jüngere Menschen, die gerne wieder zum unbeschwerten Leben zurückkehren wollen. Personen, die sich aus Sorge um sich oder um Angehörige nicht mehr aus dem Haus wagen. Wir wissen um Menschen aller Altersgruppen, die zu den Risikogruppen zählen und Menschen, die in dieser Situation mitten unter uns alleine sind.

Jung und Alt, zwei Gruppen, die sich in jüngster Vergangenheit oftmals scheinbar voneinander entfernten, wenn wir zum Beispiel an die vielfältigen Diskussionen rund um das Thema Klimaschutz denken. Und doch auch wieder zwei Gruppen, die sich aufeinander zu bewegen. Und auch innerhalb dieser Gruppen gibt es unterschiedliche Strömungen. Die einen, die fordern die Corona-bedingten Beschränkungen wieder aufzuheben und dafür die älteren Menschen zu isolieren und die anderen, die jetzt gerade auf die Älteren zu gehen, Hilfe anbieten, zuhören, sich kümmern.

Wir erleben die Einschränkung vieler, für selbstverständlich gehaltener Grundrechte. Rechte, die zum Schutz unserer Gesundheit aufgrund der Pandemie beschnitten werden. Die Versammlungsfreiheit im öffentlichen Raum, die freie Ausübung des Berufs, der reguläre Anspruch auf schulische Bildung, der Schutz persönlicher Daten. Wir halten es für vernünftig, aber unsere deutsche Geschichte macht uns hier zu Recht auch besonders vorsichtig. Viele von uns beschleicht ein ungutes Gefühl. Wie weit gelingt es uns, die Pandemie mit Vernunft und entsprechendem Verhalten zu bezwingen und in welchem Maße dürfen uns unsere Rechte entzogen werden?

Wir beobachten all das und fragen uns, wie lange dieser Ausnahmezustand wohl anhalten wird? Wie wird es nach Corona um unsere Gesellschaft bestellt sein? Wie wird es um die Wirtschaft und den Wohlstand jedes Einzelnen von uns stehen, um das Steueraufkommen und den Sozialstaat? Dividiert uns Corona gerade auseinander in Jung und Alt, in arm und reich, in Selbständige mit vollem Risiko und Verdienstausfall einerseits und Beschäftigte in relativ gesicherten Anstellungen andererseits?

Von Woche zu Wochen dringen die konkreten Auswirkungen der Pandemie weiter und weiter in unser Umfeld und unsere Familien vor. Ich denke an Eltern, die an die Grenzen der eigenen Kräfte kommen, weil Homeoffice und Kinderbetreuung gleichzeitig kaum zu bewerkstelligen sind. Viele sind von Kurzarbeit oder Verdienstausfällen betroffen, die den Lebensunterhalt gefährden. Und es gibt genügend Selbstständige, die ihr Geschäft schließen mussten aber von den laufenden Kosten finanziell aufgezehrt werden.

Jede und jeder von uns trifft gerade täglich Entscheidungen, die in der Summe maßgeblich dafür sein werden, wie wir diese Situation meistern. Unterstütze ich durch mein Kaufverhalten Geschäfte und Gaststätten mit ihrem Liefer- und Abholservice und Betriebe vor Ort? Kümmere ich mich trotz des „Social distancings“ zum Beispiel um meine älteren Nachbarn und helfe jetzt bei Einkäufen oder suche ich das Gespräch, telefonisch oder über den Gartenzaun?

In jeder Krise steckt auch eine Chance. Nutzen wir sie und gehen wir alle einen Schritt aufeinander zu. Es geht um das Gemeinsame, nicht nur um die eigene Sicherheit, den eigenen Vorteil. Das macht unser Miteinander aus.

Dass die Krise tiefe Spuren in unserer Gesellschaft hinterlassen wird, macht vielen Menschen Angst. Aber wir können – wie es in der lesenswerten Stellungnahme der Nationalen Akademie der Wissenschaften, der Leopoldina vom Ostermontag heißt – „aus den Erfahrungen mit der Coronavirus-Pandemie und ihren Ursachen Lehren für die Zukunft“ ziehen (www.leopoldina.org): Einigkeit und Gemeinsamkeit zum Wohle aller müssen unser Handeln bestimmen.

Besonders gefreut hat mich die Resonanz auf unseren gemeinsamen Spendenaufruf für den Isartaler Tisch. Denn diese ist Ausdruck für das Miteinander. In kurzer Zeit sind bereits 10.000 € für Lebensmittel zusammengekommen. Vielen herzlichen Dank dafür! Spenden werden auch weiterhin benötigt.

Bitte passen Sie auf sich auf und bleiben Sie gesund!

Es grüßt Sie herzlich
Ihre Susanna Tausendfreund
Erste Bürgermeisterin

14. April 2020