Volkstrauertag 2024

Anlässlich des bundesweiten Volkstrauertags fanden auch in unserer Gemeinde am vergangenen Sonntag, 17. November, Gottesdienste und anschließend die traditionelle Gedenkfeier an der Gedächtnisstätte für die weltweiten Opfer von Krieg und Gewalt statt.

Die Pfarrer Wolfgang Fluck und Martin Zöbeley hielten die Andacht. Dazu übernahm Heinrich Fischer als Vorsitzender der Soldatenkameradschaft nach der Ansprache der Ersten Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund bereits zum zehnten Mal die Gedenkrede. Hierfür allen ein großes Dankeschön. Für die tatkräftige Unterstützung und die rege Teilnahme bedanken wir uns ebenfalls herzlich bei der Pullacher Blasmusik, bei der Freiwilligen Feuerwehr und bei den Pullacher Vereinen, die auch dieses Jahr mit ihrer Anwesenheit wieder den Stellenwert der Veranstaltung unterstrichen haben. Ein weiterer Dank geht an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bauhofs für die Vorbereitung der Veranstaltung vor Ort.

Für alle, die beim Volkstrauertag nicht dabei sein konnten, gibt es die Rede von Pullachs Erster Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund nochmals zum Nachlesen.

Rede von Susanna Tausendfreund, Erste Bürgermeisterin:

Sehr geehrte Damen und Herren,
Fast immer sprachen wir beim Volkstrauertag über lang zurückliegende Kriegsereignisse und Erlebnisse, um die Auswirkungen von Krieg und Gewaltherrschaft deutlich zu machen: Im Gedenken an die vielen Opfer in unvorstellbaren Zahlen, die Zerstörung, die Not und das Elend.

Heute begehen wir weiterhin diesen traditionellen Gedenktag, den es im Deutschen Reich bereits seit 1919 gab. In der Bunderepublik erhielt er seit 1950 neue Formen, die sich seither auch immer wieder gewandelt haben.

Der Volkstrauertag schien zunächst seine Bedeutung nur aus weit zurückliegenden Erfahrungen zu schöpfen. Für Manche war er in der bisherigen Form schon seit den 1980er Jahren nicht mehr aktuell, die Themen der Friedensbewegung hätten gefehlt. Einigen erschien er sogar „von vorgestern“ zu sein.

Jedenfalls wurde der Tag – je nach unterschiedlicher Auffassung und Ortskultur – wie ein Gottesdienst, wie eine Demonstration, wie ein Bürgertreffen, wie ein militärischer Aufmarsch oder, wie bei uns, als gemeinsames Nachdenken begangen.

Die Gemeinsamkeit ist das Bekenntnis für Frieden, Demokratie, Menschenwürde, Freiheit und die Erinnerung an die Zeiten und Umstände, in denen diese Werte nichts galten, Kriegs- oder Umbruchzeiten. Die Gemeinsamkeit ist das Bekenntnis: ‚Nie wieder!‘ Und dieses Bekenntnis kann mit Blick auf die Vergangenheit geschehen. ‚Nie wieder‘ muss jedoch dauerhaft für das Jetzt und für die Zukunft als Maxime für unsere Gesellschaft gelten.

Der Volkstrauertag muss neben dem Gedenken an zurückliegende Ereignisse auch immer dazu dienen, die aktuellen gesellschaftlichen Situationen zu beleuchten: Diskriminierung von Minderheiten, Antisemitismus, Ausgrenzung, Rassismus, Ausländerfeindlichkeit und die Kriege und Verfolgungen in der Welt. Allen Opfern wollen wir gedenken.

Die Tradition, die Gemeinsamkeiten und neue Ansätze gilt es in die aktuelle Zeit zu tragen. Eine Vorkriegszeit in unserem Land – eine Kriegszeit in unserem Nachbarland, der Ukraine. Lange hatten wir Frieden in Europa. Der Mauerfall vor 35 Jahren hat für Hoffnungen gesorgt.

Die Zeit zuvor – der Ost-West-Konflikt seit dem Ende des 2. Weltkriegs – war bedrohlich. Viele befürchteten, dass die Abschreckungs- und Rüstungsspirale eskalieren könnte. Die Atomwaffenarsenale waren gefüllt. Sie sind es auch heute noch. Hiroschima und Nagasaki waren und sind Mahnungen. Diese Bedrohungssituation sollte ein für alle Mal ein Ende haben.

Aber nun müssen wir mit dem grausamen Krieg in der Mitte Europas umgehen. Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine wird seit fast 1.000 Tagen mit aller Härte geführt. Unglaublich viele Opfer sind zu beklagen. Gerade in der letzten Nacht hat das Putin-Regime eine der stärksten Offensiven gegen die Bevölkerung und die Infrastruktur der Ukraine umgesetzt. Dieser Krieg hat unerträgliches Leid zur Folge. Wir hoffen alle auf Frieden, der momentan nicht vorstellbar erscheint. Gleichzeitig beunruhigt die kriegerische Auseinandersetzung im Nahen Osten die Welt und besonders auch uns Deutsche, die wir für die jüdische Bevölkerung Israels eine besondere Verantwortung tragen.

Viele von uns stehen heute hier mit Sorgen vor einer Ausweitung des Krieges, auch vor den wirtschaftlichen und materiellen Konsequenzen. Manche von uns, ich denke an die ukrainischen Bürger*innen, die hierher geflohen sind, sind Betroffene des Krieges. Leid und Wut, Mitleid, Trauer, Sorge, Angst – all´ das hat seinen Raum an diesem Gedenktag, dafür ist er da. Es ist nicht nur der allgemeine Volkstrauertag, sondern auch der Tag für persönliches Gedenken und Mitfühlen. Ein wichtiger Tag für die Gemeinschaft und auch für die einzelnen Menschen in unserer Gemeinde.

Wir spüren, dass sich auch bei uns, die wir nicht persönlich vom Krieg in der Ukraine betroffen sind, der Blick und die Haltung verändert. Den Menschen, deren Familien und Freunde direkt betroffen sind, müssen wir Kraft geben.

Hier eine Schilderung:
„Wir führen zwei unterschiedliche Leben: Das eine Leben ist in der Ukraine und wartet auf einen nächtlichen Angriff von Drohnen und Raketen. Ukrainer gehen tagsüber zur Arbeit, die  Kinder gehen zur Schule. Alarm. Angriff. Tod. Und in der Nacht hört man jedes Geräusch und wartet auf den schlimmen Angriff. Die Leute haben immer Angst. Meine Freunde, Kollegen, Bekannte, Verwandte…sie sind alle erschöpft, deprimiert und im Stress.

Ein anderes Leben ist für die Ukrainer in Deutschland. Wir wohnen in der Sicherheit, ABER das Leben ist auf Pause gelegt, nichts bringt Spaß. Keine Lust…auf irgendwas… Das Telefon ist immer griffbereit. Ich warte auf Neuigkeiten von Verwandten, Freunden…. die in der Ukraine geblieben sind. Manche sind in ihren Häusern, manche sind Flüchtlinge im eigenen Land und manche stehen an der Front in den Schützengräben. Sie sind unter ständigem Beschuss.

Ehefrauen und Ehemänner, Eltern und Kinder warten auf eine Nachricht von jemandem an der Front. Wenn ich im Messenger ein Pluszeichen erhalte, bedeutet dies, dass er, der Mann/der Sohn/der Bruder, lebt. Aber wir Ukrainer leben nicht mehr, wir existieren.“

Die Dauer des Kriegs, mittlerweile 2 Jahre und 9 Monate, die Brutalität, die Auswirkungen auf die Bevölkerung, machen uns fassungslos. Wir werden weiterhin unterstützen, wo wir können und werden nicht aufhören, auf Frieden zu hoffen.