Band 7 der Pullacher Schriftenreihe erzählt Geschichte der Bellemaison

An der Bellemaison, dem „schönen Haus“, in Höllriegelskreuth geht wohl niemand achtlos vorüber. Schon sein schlossartiges Äußeres lässt erahnen, dass es sich um einen besonderen Ort handelt. Und tatsächlich hat dieses Gebäude in der Zugspitzstraße 15 schon einiges erlebt: Erbaut hatte es 1907 bis 1908 der Schriftsteller und Bankierssohn Carl Sternheim, um mit seiner zweiten Frau Thea dort einzuziehen. Künstler wie der Schriftsteller Frank Wedekind und die Maler Gustav Klimt und Alexej von Jawlensky verkehrten hier, aber auch die Prinzen von Bayern. Jetzt erzählt der neue Band der Pullacher Schriftenreihe die wechselvolle, überaus interessante Geschichte der Bellemaison.

Sein Autor, der Historiker Dr. Michael Davidis, kennt das Haus bereits aus Kindheitstagen. Der langjährige Mitarbeiter des Deutschen Literaturarchivs in Marbach ist in Pullach aufgewachsen. Für das Buch „Bellemaison – eine Dichterresidenz im Zeitalter der Extreme“ hat er unzählige Dokumente gesichtet, darunter die Tagebücher von Thea Sternheim, und beeindruckende Fotografien aus dem Inneren der Villa zusammengetragen. Er hat es geschafft, am Beispiel dieses Gebäudes ein Stück Ortsgeschichte ganz konkret nachzuzeichnen – von der Industrialisierung bis in die Gegenwart.

Denn Sternheim schrieb hier nicht nur einen großen Teil der Werke, die ihn bekannt machten, etwa „Die Hose“, „Die Kassette“ oder „Bürger Schippel“ – er wurde hier auch politisch aktiv. Nämlich, als 1910 der Plan des Unternehmers Pietzsch ruchbar wurde, eine Fabrik zur Gewinnung von Wasserstoffsuperoxyd in Höllriegelskreuth zu gründen, also in Sternheims unmittelbarer Nachbarschaft. Der Schriftsteller engagierte sich dagegen und ließ sich sogar in den Gemeinderat wählen. Wie viele Bürger Pullachs damals befürchtete er, die Fabrik könnte das Isartal verschandeln und die Grundstücke entwerten. So setzte er sich für eine Bauordnung ein, die Industrieanlagen in dieser „landschaftlich bevorzugten Gegend“ verbieten sollte. Wie Sie wissen: allerdings ohne Erfolg.

Wohl auch darum blieben die Sternheims nur vier Jahre in der Villa. Später wohnte das Fürstenpaar zu Schaumburg-Lippe darin. Nachdem es bei einem Flugzeugabsturz starb, verkauften die Erben das Gebäude kurz nach Beginn des Zweiten Weltkriegs an die „Stiftung Biologisches Krankenhaus München“. Bis 1968 beherbergte es eine kleine homöopathische Klinik. Danach stand es lange leer und verfiel bis die Denkmalbehörde intervenierte und es so vor dem Abriss rettete. Der neue Eigentümer, die Linde-AG, ließ es Ende der 80er Jahre restaurieren. Seit 2002 ist es nun der Hauptsitz der internationalen Schoeller Group, die unter anderem auf dem Gebiet der Mehrwegverpackungen aktiv ist.

Vor einigen Tagen haben wir das Buch dort, am Ort des Geschehens, der Öffentlichkeit präsentiert. Bücher, die der Geschichte von Orten und Gebäuden nachgehen, können eher selten im noch erhaltenen Objekt vorgestellt werden. Zu oft hat der Zahn der Zeit alle Spuren ausgebissen und das völlige Verschwinden des Objektes ist oftmals erst der Grund, seiner Geschichte auf die Spur kommen zu wollen.

An dieser Stelle danke ich Martin und Christoph Schoeller, dass Sie uns Ihr schönes Haus dafür zur Verfügung gestellt haben und so den 70 Gästen an diesem Nachmittag einen Blick in sein Inneres ermöglicht haben.

Ich danke auch Angelika Bahl-Benker, der Vorsitzenden des Pullacher Geschichtsforums, die das historische Potenzial des Gebäudes erkannt und den Kontakt zu Dr. Michael Davidis hergestellt hatte. Diesem danke ich für seine aufschlussreiche Arbeit, die ich auch Ihnen empfehlen möchte. Ein lesenswertes Buch, mit dem Sie sich auf Zeitreise begeben können – übrigens auch ein wunderbares Weihnachtsgeschenk für historisch Interessierte und ortsverbundene Pullacherinnen und Pullacher.  

Es grüßt Sie herzlich

Ihre Susanna Tausendfreund

Erste Bürgermeisterin

7. Dezember 2017